Nächste Vorstellung in 3D
Ein Artikel der Doc Check vom 14.11.2018
Die herkömmliche Mammographie hat ihre Schwächen. Ärzte können maligne Tumoren in der 2D-Darstellung nicht immer erkennen. Jetzt bekommt die Methode zunehmend Konkurrenz: Die Tomosynthese ermöglicht 3D-Aufnahmen. Was kann das Verfahren wirklich?
Die herkömmliche Mammographie hat zwei relevante Schwächen. Ärzte können maligne Tumoren nicht immer erkennen, weil sich Gewebestrukturen in der 2-D-Darstellung in einigen Fällen überlappen – besonders häufig bei Frauen mit dichtem Brustgewebe. Andererseits weisen Gewebeüberlagerungen im Bild häufig fälschlicherweise auf einen bösartigen Befund hin.
Die Tomosynthese, ein dreidimensionales Mammographie-Screening, könnte der herkömmlichen Mammographie bald den Rang ablaufen. Bisher handelt es sich bei dem 3-D-Verfahren nicht um eine Kassenleistung, so dass GKV-Patienten die Kosten selbst tragen müssen. In welchen Punkten schlägt die Tomosynthese die herkömmliche Mammographie?
„Die Tomosynthese hat dank der dreidimensionalen Darstellung eine deutlich bessere Aussagekraft als eine Mammographie, da Überlagerungen kein Problem darstellen“, so Dr. Norbert Scheufele, Gynäkologe aus Münster, zu DocCheck. Interferieren Gewebestrukturen bei Aufnahmen, bleiben bis zu 30 Prozent aller Auffälligkeiten unentdeckt, so das Ergebnis einer Studie. „Von daher ist durchaus davon auszugehen, dass dieser Untersuchungsmethode auf Dauer der Vorrang gegeben wird”, so Scheufeles Einschätzung. Nachteile seien seiner Meinung nach nicht zu erwarten.
Laut Sylvia Heywang-Köbrunner, Leiterin des Referenzzentrums Mammografie in München, sei die Strahlendosis bei Tomosynthesen um zehn bis 20 Prozent höher als bei der Mammographie, liege aber deutlich unter dem Grenzwert.
Bei der klassischen 2D-Mammographie passiert Röntgenstrahlung unser Gewebe und wird von einem Detektor digital erfasst. Dichtere Bruststrukturen sind problematisch: Sie absorbieren mehr Strahlung als normales Gewebe. Manchmal überlagern sich Formationen und der Informationsgewinn bleibt niedrig.
Dieses Problem sind Ingenieure mit dem 3D-Verfahren angegangen. Bei der Tomosynthese schwenkt eine Röntgenquelle im 15-Grad-Winkel um die Brust und nimmt 15 oder mehr Bilder auf. Es entstehen kraniokaudale (um Kopf in Richtung Füße) und mediolaterale (von der Mitte zur Seite) gerichtete Schrägansichten. Aus diesem Datensatz werden dreidimensionale Darstellungen rekonstruiert und vom Arzt begutachtet.
Im Jahr 2011 wurde die digitale Brust-Tomosynthese (DBT) für die digitale Vollfeld-Mammographie (FFDM) in der Brustbildgebung von der FDA genehmigt. Hersteller liefern kompakte Geräte mit beweglicher Röntgenquelle, Detektor und ggf. sogar mit Biopsieeinheit zum Preis von 300.000 Euro aufwärts. Mit an Bord ist eine Software zur Analyse von Bilddateien.
34 Prozent mehr Tumoren erkannt
In den letzten Jahren haben mehrere retrospektive US-Studien gezeigt, dass sich Rückrufraten – also die Raten der Frauen, die für zusätzliche Untersuchungen einbestellt wurden – mit der Tomosynthese verringern lassen. Absolut betrachtet liegt die Rückrufrate bei etwa 9 Prozent (Tomoysnthese) und ist damit um relative 14 bis 63 Prozent geringer als bei der herkömmlichen Mammographie. Auf qualitätsgesicherte deutsche Programme lassen sich die Daten nicht übertragen. Bei uns liegen Rückrufraten mit absolut rund 3 Prozent per se auf einem niedrigen Niveau.
Eine aktuelle prospektive Studie zeigt den eigentlichen Mehrwert des neuen Verfahrens. Sophia Zackrisson von der Lund University kam in der MBTST-Studie (Malmö Breast Tomosynthesis Screening Trial) zu dem Ergebnis, dass mit der Brusttomosynthese im Vergleich zur herkömmlichen Mammographie über 30 Prozent mehr Krebserkrankungen bei Probandinnen erkannt wurden.
Basis war eine Kohorte mit 14.851 Frauen zwischen 40 und 74 Jahren aus gesetzlichen Programmen zum Mammographie-Screening. Innerhalb von fünf Jahren fanden Ärzte bei 137 Frauen 139 Brustkrebserkrankungen.
Bei Tomoysnthesen war die Sensitivität, sprich der Prozentsatz erkannter Frauen mit Erkrankungen, höher als bei der Mammographie (81,1 versus 60,4 Prozent). Es wurden signifikant mehr Mammakarzinome nachgewiesen (8,7 Tumore pro 1.000 Frauen versus 6,5 pro 1.000 Frauen). Die Spezifität, also die Wahrscheinlichkeit, gesunde Teilnehmerinnen korrekt zu identifizieren, erwies sich als etwas geringer, verglichen mit Mammographien (97,2 versus 98,1 Prozent), was in der Praxis wohl eine geringe Rolle spielt.
„Mit der Brust-Tomosynthese wurden 34 Prozent mehr Krebstumoren im Vergleich zum derzeitigen Standard-Mammographie-Screening entdeckt. Gleichzeitig konnten wir die Kompression der Brust während der Untersuchung reduzieren, was mehr Frauen zur Teilnahme am Screening ermutigen könnte“, erklärt Zackrisson. Sie ergänzt: „Wir mussten im Vergleich zur herkömmlichen Mammographie mehr Frauen für zusätzliche Untersuchungen einbestellen.“ Die Rückrufrate lag bei 3,6 versus 2,5 Prozent. Zackrisson: „Wir mussten bestätigen, dass diese Frauen wirklich keinen Krebs hatten, da diese Methode mehr Strukturen in der Brust im Allgemeinen findet.“
An der Stelle darf nicht vergessen werden, dass es sich um Zahlen handelt, die unter Studienbedingungen entstanden sind. In der Praxis lassen sich Rückrufraten durch Maßnahmen zur Qualitätssicherung als Teil von Screening-Programmen senken. Das ist bei 2D-Mammographien bereits der Fall.
Viele Arbeiten bestätigen den Benefit – aber nicht alle
Schon früher veröffentlichte Arbeiten konnten Vorteile der Tomosynthese zeigen. Stefano Ciatto von Azienda Provinciale Servizi Sanitari aus Trient gibt auf Basis einer Studie mit 7.292 Frauen 50 Prozent als Sensitivitätsgewinn an. Kristina Lång von der Lund University Malmö nahm 7.500 Frauen in ihre Kohorte auf. Sie berichtet von einer Sensitivität um 43 Prozent. Und Per Skaane von der University of Oslo untersuchte 24.901 Probandinnen. Hier lag der Benefit bei plus 30 Prozent.
Die Studienlage bietet allerdings kein einheitliches Bild. Die im vergangenen Jahr veröffentlichten Ergebnisse von der Radiologin Jaclynn L. Powell sahen anders aus. Sie verglich Brustkrebs-Diagnosen bei 10.477 Frauen mit Mammographie und 2.304 Frauen mit Mammograpie plus Tomosynthese. Das neue Verfahren führte zu weniger ergänzenden Untersuchungen (16 versus 14 Prozent), aber zu mehr Biopsien (12,7 versus 19,1 Prozent). Bei der Zahl an entdeckten Tumoren gab es laut der Studie keinen statistisch signifikanten Unterschied (5,2 versus 7,8 Diagnosen pro 1.000 Screenings).
Allerdings wurden signifikant mehr frühe Formen, sprich Carcinoma in situ, entdeckt (4,3 versus 2,0 pro 1.000 Screenings). Powells Arbeit ist aufgrund möglicher Verzerrungen umstritten. Probandinnen, die sich einer 3D-Mammographie unterziehen lassen wollten, mussten diese selbst bezahlen. Damit lassen sich ihre Ergebnisse nicht unbedingt auf die normale Bevölkerung übertragen.
Der weite Weg bis zur Praxis
Experten der European Society of Breast Imaging (EUSOBI) fassen den aktuellen Stand so zusammen: „Digitale Brusttomosynthesen erhöhen die Krebserkennung und senken die Rate an Rückrufen aufgrund notwendiger Folgeuntersuchungen.“ Gleichzeitig warnen sie: „Vor Einführung der Tomosynthese in das Mammakarzinom-Screening außerhalb von Studien sollte eine statistisch signifikante und klinisch relevante Reduktion der Krebsrate nachgewiesen werden.“
Das könnte mit ToSyMa, einer geplanten, groß angelegten Studie, in Deutschland passieren. Forscher am Universitätsklinikum Münster wollen klären, ob Tomosynthesen die Früherkennung verbessern. Geplant ist, 80.000 Frauen zwischen 50 und 69 Jahren randomisiert einer Tomosynthese- oder Mammographie-Gruppe zuzuordnen. „Die ersten Ergebnisse der ToSyMa-Studie werden Ende 2020 erwartet, die endgültigen Ergebnisse werden 2023 vorliegen“, sagt Prof. Walter Heindel, Direktor des Instituts für Klinische Radiologie (IKR) am Universitätsklinikum Münster. Bisher hat sich der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nicht mit der Tomosynthese befasst, wie eine Sprecherin auf Nachfrage bestätigt. Das heißt: Gesetzlich Versicherte müssen die Kosten auf absehbare Zeit selbst berappen.