Vitamin-B12-Mangel ist relativ weit verbreitet – insbesondere bei Menschen mit chronischen Erkrankungen, wie z. B. Diabetes. Gerade bei Diabetes kann ein solcher Mangel gravierende Folgen haben, da sich jetzt auch die gefürchteten Diabetes-Folgeerkrankungen viel eher entwickeln können, wie etwa Neuropathien. Forscher raten daher immer häufiger dazu, bei Diabetikern regelmässig die Vitamin-B12-Werte zu überprüfen. Interessant dabei ist, dass offiziell – z. B. von der Deutschen Diabeteshilfe – Vitaminmängel bei Diabetes schlichtweg ignoriert werden.
Vitamin-B12-Mangel kann bei Diabetikern zu Nervenschäden führen
Bei der jährlichen Konferenz der Gesellschaft für Endokrinologie in Glasgow im November 2018 wurde eine Studie vorgestellt, in der die beteiligten Forscher dringend rieten, dass Diabetiker, die Metformin nehmen, regelmässig ihren B12-Spiegel überprüfen lassen sollten, um irreversible Nervenschäden zu vermeiden.
Denn Metformin könne andernfalls durch seinen negativen Einfluss auf den Vitamin-B12-Spiegel die Entwicklung einer diabetischen Neuropathie beschleunigen. Entsprechende Nervenschäden äussern sich u. a. mit Kribbeln bis hin zu Schmerzen in den Armen und Beinen, Muskelschwäche, Koordinationsstörungen und Gangunsicherheit.
Dr. Kaenat Mulla und ihre Kollegen (alle Allgemeinmediziner) am Hucknall Road Medical Centre in Nottingham stellten in ihrer Studie fest, dass 64 Prozent aller Typ-2-Diabetiker nie auf einen möglichen Vitamin-B12-Mangel hin untersucht worden waren. Als man dies nun nachholte, fand man bei fast 10 Prozent der Patienten einen Vitamin-B12-Mangel.
Diabetiker häufig von Vitamin-B12-Mangel betroffen
Diese Zahl überrascht nicht, im Gegenteil. Frühere Studien gaben sogar höhere Zahlen an. Im Jahr 2017 beispielsweise war eine Studie erschienen, in der man festgestellt hatte, dass 27 Prozent der Senioren einen zu niedrigen Vitamin-B12-Spiegel aufwiesen. Im Sommer 2018 ergab eine irische Studie, dass 1 von 8 Menschen über 50 Jahren an einem Vitamin-B12-Mangel leidet. Weitere Untersuchungen konnten zeigen, dass besonders Menschen mit Magen-Darm-Beschwerden und auch Schilddrüsenunterfunktion häufig einen Vitamin-B12-Mangel haben – wie wir hier erklärt hatten.
Zusätzlich können neben Metformin noch weitere der am häufigsten konsumierten Medikamente zu einem Vitamin-B12-Mangel führen, etwa Säureblocker oder ASS. In einer Studie von 2016 hatte sich gezeigt, dass 30 Prozent der Typ-2-Diabetiker, die Metformin nahmen, einen B12-Mangel aufwiesen. Das Medikament hemmt die Resorption des Vitamins im Darm, so dass die B12-Spiegel um durchschnittlich bis zu 29 Prozent gesenkt werden.
Aber auch Typ-1-Diabetiker leiden verstärkt an B12-Mangel, laut dieser Studie von 2013 sind es zwischen 45 und 54 Prozent. Vitamin-B12-Mangel ist somit als weit verbreitet zu bezeichnen, besonders bei älteren Menschen und Diabetikern.
Deutsche Diabeteshilfe ignoriert Vitaminmängel bei Diabetikern
Bei der Deutschen Diabeteshilfe jedoch wird an keiner Stelle auf Vitamin B12 hingewiesen. In der Rubrik Nahrungsergänzungsmittel wird sogar erklärt, dass man keine Nahrungsergänzungen brauche, wenn man sich ausgewogen ernähre. Und ernähre man sich nicht ausgewogen, könnten Nahrungsergänzungen die ungünstige Ernährung nicht kompensieren. Nur in der Schwangerschaft und Stillzeit, bei Kau- und Schluckstörungen und wenn man sich nicht ausreichend lange im Freien aufhalten könne, seien Nahrungsergänzungen denkbar.
Mit keinem Wort wird auf die vitaminräuberische Eigenschaft des Metformins eingegangen. Nirgendwo wird erklärt, dass entsprechende Mängel zu einem schnelleren Fortschreiten des Diabetes und der diabetischen Neuropathie führen können. Selbst beim Thema Neuropathie wird weder unter „Vorbeugen“ noch unter „Ursachen“ auf einen Vitamin-B12-Mangel hingewiesen.
Offizielle Leitlinien raten erst dann zum Vitamin-Check, wenn schon Symptome da sind
Dr. Mulla erklärte, dass die gegenwärtigen Leitlinien (der British Society of Haematology) erst dann empfehlen, die Vitamin-B12-Werte zu überprüfen, wenn eindeutige Symptome einen Vitamin-B12-Mangel vermuten lassen. Periphere Neuropathien aber (diese Neuropathien können alle Nerven betreffen, nur nicht die des Rückenmarks und Gehirns) führen zu irreversiblen Nervenschäden. Warte man nun erst einmal ab, bis sich Symptome zeigten, dann ist es bereits zu spät, um aktiv zu werden.