Das viel zu schnelle “Uteraus”
Die Entfernung der Gebärmutter könnte ein Gesundheitsrisiko darstellen, vermuten Forscher. Obwohl jede fünfte Hysterektomie als überflüssig gilt, halten Ärzte an dieser Methode fest. Doch das könnte sich bald ändern.
Der Uterus scheint mehr als nur ein Organ zur Fortpflanzung zu sein. Experimente an Mäusen und Kohortenstudien deuten darauf hin, dass die Hysterektomien mit einer verringerten Gedächtnisleistung sowie Demenz zusammenhängen. Auch im nicht schwangeren Zustand würde ein Uterus daher „nicht schlafen“, so das Fazit einer Studie. Eingriffe seien kritisch zu überdenken. Wird der radikale Eingriff hierzulande zu häufig gewählt?
„Es gibt einige Untersuchungen, die zeigen, dass Frauen nach einer Hysterektomie mit Erhalt der Eierstöcke ein erhöhtes Risiko für Demenz hatten, wenn die Operation vor den natürlichen Wechseljahren stattfand“, sagte Heather Bimonte-Nelson von der Arizona State University. Hier handelt es sich notgedrungen um Kohortenstudien, die eine Assoziation, aber keine Kausalität zeigen. Deshalb entschlossen sich US-Forscher, weibliche Mäuse zu hysterektomieren. Innerhalb von zwei Monaten nach der Operation veränderte sich die Gedächtnisleistung, aber auch das hormonelle Profil ihrer Versuchstiere. Bimonte-Nelson vermutet, es gebe ein „Ovarial-Uterus-Hirn-System“, das beim Eingriff unterbrochen werden. Auch wenn diese Ergebnisse noch lange keinen Zusammenhang beweisen, sollten Hysterektomien dennoch nur nach strenger Indikationsstellung vorgenommen werden. Das ist aber nicht immer der Fall.
Hysterektomie nur nach strenger Indikationsstellung
Dazu ein Fall aus der Praxis: Schon länger quälte sich die Amerikanerin Kim F. (46) mit unerklärlichen Schmerzen während der Periode. Ihr Arzt entdeckte schließlich mehrere Uterusmyome und empfahl eine Hysterektomie, nachdem Pharmakotherapien gescheitert waren. F. lehnte diesen Vorschlag ab, erhielt bei anderen Medizinern aber nur ähnliche Vorschläge. Im Atlanta Fibroid Center fand sie schließlich einen Gynäkologen, der ihre Myome per Embolisation behandelte.
„Hauptindikationen für Hysterektomien sind Blutungsstörungen und Schmerzen und Myome“, bestätigt Prof. Dr. Barbara Schmalfeldt gegenüber DocCheck. Sie ist Direktorin der Klinik und Poliklinik für Gynäkologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Die Expertin relativiert: „Bei einer Dysmenorrhoe therapieren wir aber zuerst mit hormonellen Maßnahmen, sprich mit kombiniert östrogen- und gestagenhaltigen Kontrazeptiva oder gestagenfreisetzenden Spiralen.“ Häufig seien Schmerzen so in den Griff zu bekommen. Leiden Patientinnen an Myomen, seien auch organerhaltende Myomenukleation möglich. „Ich denke, eine Hysterektomie sollte nur bei strenger Indikationsstellung durchgeführt werden sollte“, so Schmalfeldt weiter. Häufig könne man Beschwerden mit konservativen Therapien gut in den Griff bekommen. „Ich vermute, dass an manchen Stellen die Indikationen zu großzügig gestellt werden.“ Dies sei vor allem aus den USA, teilweise aber auch für Deutschland bekannt.
Mindestens jede fünfte Entfernung ist überflüssig
Bei uns gehören Entfernungen der Gebärmutter zu den häufigsten gynäkologischen Eingriffen. Die Zahl an Eingriffen ist allerdings inzwischen von 119.360 (2010) auf mittlerweile 77.561 (2017) gesunken, berichtet das Statistische Bundesamt auf Nachfrage von DocCheck. Die Daten basieren auf dem OPS-Code 5-683 (Uterusexstirpation, Hysterektomie). Laut Fraueninformationsdienst Deutschland hat jede siebte Frau zwischen 18 und 79 Jahren keine Gebärmutter mehr. Vor einigen Jahren war es noch jede sechste.
Doch Grund zur Freude sind die sinkenden Zahlen nicht. Der Fraueninformationsdienst Deutschland kritisiert, bei rund 90 Prozent aller gutartigen Erkrankungen der Gebärmutter würden Hysterektomien durchgeführt. Eine ältere Veröffentlichung nennt als überwiegende Gründe gutartige Erkrankungen, nämlich Uterusmyome (40 Prozent), Endometriosen (17 Prozent), oder einen Prolaps uteri (14,5 Prozent). Mit 9,0 Prozent sind maligne Erkrankung eher die Ausnahme als die Regel für Hysterektomien. Eine neue Studie, von der es momentan nur den Kongress-Abstract gibt, sieht Uterusmyome (48 Prozent) als wichtigste Indikation. Daten aus den USA lassen sogar vermuten, dass jeder fünfte Eingriff medizinisch nicht unbedingt erforderlich ist. Den Autoren zufolge würden Ärzte Alternativen zu selten nutzen.
Dr. Gerardo Bustillo vom Memorial Care Orange Coast Medical Center im kalifornischen Fountain Valley kommt zu ähnlichen Einschätzungen: „In der Vergangenheit wurden zu viele Hysterektomien aufgrund von Myomen durchgeführt“, sagt der Gynäkologe. „Es ist wichtig zu wissen, dass Myome extrem häufig sind und dass die Mehrheit aller Frauen keine Behandlung braucht.“ Außerdem verschwänden die Symptome bei vielen Patientinnen, sobald sie die Menopause erreichen. Das Malignitätsrisiko bewertet Bustillo als „gering“.
Nicht nur die Indikation entscheidet
Es geht aber nicht nur um zu viele Eingriffe. Laut „Faktencheck Gesundheit“ der Bertelsmann-Stiftung gibt es in Deutschland nicht medizinisch erklärbare regionale Besonderheiten. Versorgungsforscher arbeiteten mit einem kreisspezifischen Operationen-Index. Sie dividierten die tatsächliche OP-Zahl durch die Zahl an zu erwartenden Eingriffen (auf Basis demographischer Faktoren).
In Kreisen mit dem höchsten wurde dreimal mehr operiert als in Kreisen mit dem niedrigsten OP-Index. „Die noch immer bestehenden Variationen deuten darauf hin, dass die Indikationsstellung zur Hysterektomie offenbar nach wie vor in manchen Regionen großzügiger erfolgt als in anderen“, schreiben die Autoren. „Aussagen zur Höhe des „angemessenen“ Hysterektomie-Niveaus können nicht getroffen werden.“
Versorgungsforschern am Robert Koch-Institut fiel wiederum auf, dass Frauen mit niedrigem Sozialstatus doppelt so häufig eine Hysterektomie erhielten wie Frauen mit hohem Sozialstatus. Bekanntlich liefern Kohorten keine Erklärungen. Die Autoren bringen aber zwei Hypothesen in das Gespräch: Vielleicht leben Frauen mit höheren Bildungsgrad gesünder oder hinterfragen ärztliche Therapieempfehlungen stärker.
Selbst ist die Frau
Mögliche Gründe der hohen OP-Zahlen lassen sich nicht aus der Welt schaffen. Dazu gehören einerseits die Fallpauschalen, denn Hysterektomien führen schnell zum Erfolg und spülen mehr als 3.000 Euro in die Kasse. Damit ist es aber nicht getan. Angehende Fachärzte für Gynäkologie haben insgesamt 300 operative Eingriffe nachzuweisen, darunter 100 vaginale und abdominelle Operationen. Verleitet der Druck so manche Klink dazu, Indikationen etwas großzügiger auszulegen?
Mit einer Zweitmeinung könnte der ein oder andere überflüssige Eingriff vielleicht vermieden werden. Zu dem Thema hat der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie entwickelt und veröffentlicht. In Deutschland muss der Arzt vor einer Hysterektomie die Patientin nun darauf hinweisen, dass sie sich eine unabhängige ärztliche Zweitmeinung einholen kann. Quelle: Ein Artikel der ganz neuen Doc Check.